Kompressions-syndrome der oberen Thoraxapertur

  • 09. Oktober 2022

  • Adrienne Hahn

  • Heilpraktikerin, Physiotherapeutin, Osteopathin

Die obere Thoraxapertur stellt die Verbindung zwischen Brustkorb und Hals her und wird vom ersten Brustwirbel, den beiden ersten Rippe und dem Oberrand des Brustbeins gebildet. Verbunden sind die einzelnen Knochen durch viele Bänder und Muskeln. Hier treten viele Strukturen vom Hals in den Brustkorb über: die Speise- und die Luftröhre, sowie viele Nerven, Blut- und Lymphgefäße.

Auch die Nerven und Blutgefäße, die die Arme versorgen, müssen hier hindurchziehen. Doch gibt es auf ihrem Weg einige Engpässe, die unter Umständen zu vielfältigen Symptomen führen können.

Der erste Engpass liegt im Bereich des seitlichen Halses. Hier ziehen Muskeln vom Kopf und der Halswirbelsäule zu den oberen Rippen und dem Schlüsselbein und bilden dabei im unteren Bereich kleine Durchlässe für die Nerven, Venen und Arterien des Arms.

Durch eine verstärkte Beugehaltung der oberen Brustwirbelsäule (und den damit einhergehenden Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich) kann es zu einer weiteren Einengung dieser kleinen Durchlässe kommen. Aber auch intensives Krafttraining kann durch die Zunahme des Muskelvolumens den Engpass verstärken. Genauso wie chronische Lungenerkrankungen, da die seitliche Halsmuskulatur als Atemhilfsmuskulatur dient und bei Atemnot vermehrt eingesetzt wird. Natürlich kann auch eine Verletzung zu einer Einengung der sogenannten Scalenuslücken führen, z.B. ein Schleudertrauma oder eine Zerrung der Schulter, da Verletzungen des Bindegewebes oft narbig ausheilen und so zu einem Flexibilitätsverlust des umliegenden Gewebes führen können. Manchmal liegt es aber auch an anatomischen Anomalien, z.B. einem zusätzlichen Muskel im Bereich der oberen Thoraxapertur, einem veränderten Verlauf der Bänder in diesem Bereich, oder einer Halsrippe (das ist meist eine Verlängerung des Querfortsatzes des untersten Halswirbels, in seltenen Fällen aber tatsächlich eine zusätzliche Rippe im Halsbereich).

Der zweite Engpass liegt zwischen der ersten Rippe und dem Schlüsselbein. Auch dieser kann durch eine verstärkte Beugehaltung der Brustwirbelsäule und nach vorne hängenden Schultern weiter eingeengt werden. Häufig liegt es aber auch an Veränderungen des Schlüsselbeins, z.B. durch ein Überbein oder einen nicht gut verheilten Bruch, oder an Veränderungen der Gelenke des Schlüsselbeins zum Brustbein oder zum Schulterdach. Auch schweres Tragen (auch das schwerer Rucksäcke) oder große, schwere Brüste, die nicht ausreichend durch einen guten BH unterstützt werden, können zu einem Engpasssyndrom in diesem Bereich führen.

Die dritte Stelle liegt zwischen den Rippen und dem Ansatz des kleinen Brustmuskels. Auch hier können eine verstärkte Beugehaltung der Brustwirbelsäule und hängende Schultern, sowie Verspannungen oder starker Muskelaufbau des kleinen Brustmuskels zu einer weiteren Einengung der Passage der Nerven und Gefäße für den Arm führen.

Die Symptome können sehr unterschiedlich sein und ohne erkennbaren Grund stärker und schwächer werden. Je nachdem, an welcher Stelle die Kompression stattfindet und ob eher eine Arterie, eine Vene und / oder ein Teil der den Arm versorgenden Nerven eingeengt wird, kann es zu folgenden Symptomen kommen:

  • Schmerzen seitlich am Hals mit Ausstrahlung Richtung Kiefer und Ohr

  • Schmerzen in der hinteren Schulterregion mit Ausstrahlung in die Achsel und an der Innenseite des Armes bis zu Klein- und Ringfinger

  • Schmerzen im oberen Bereich des Schulterblattes mit Ausstrahlung in Richtung der vorderen Brustwand und an der Außenseite des Armes hinunter bis zu Daumen und Zeigefinger

  • Kribbeln und Taubheit in der oberen Extremität

  • Nächtliche Verstärkung der Beschwerden

  • Schweregefühl des Arms und rasche Ermüdbarkeit und Schwäche, v.a. bei Über-Kopf-Arbeiten

  • Kälte und Blässe von Hand und Fingern

  • Schwellung des Handrückens, verstärkte Venenzeichnung oder bläuliche Verfärbung der Haut von Handrücken und Arm, v.a. morgens

  • Eventuell verminderte Schweißbildung im Bereich der betroffenen Extremität

  • Fingerembolien

Die osteopathische Behandlung eines Kompressionssyndroms der oberen Thoraxapertur ist ebenso vielfältig wie die Symptome. Sie reicht von der Mobilisation der Brust- und Halswirbelsäule, der oberen Rippen und des Schlüsselbeins über die Lockerung der verspannten Muskeln im Hals-, Schulter- und Brustbereich und die Verbesserung des Stoffwechsels der betroffenen Extremität, bis hin zur Behandlung der Lunge und zugehöriger Strukturen bei chronisch lungenerkrankten Patienten.

Außerdem ist eine Verbesserung der Haltung durch Eigenübungen (z.B. Haltungsschulung, Dehnung der Brust- und Nackenmuskulatur und Kräftigung des oberen Rückens) ein wesentlicher Teil auf dem Weg zu einer dauerhaften Beschwerdefreiheit.